Ist dein Buch nicht zu vereinfachend?

Andreas
17.12.25 15:28 - Kommentar(e)

"Die Brücke nach Morgen" - Zu vereinfacht?

Ich hatte vor kurzem ein spannendes Feedback zu meinem Buch von einer "Betroffenen". Sie selbst hatte vor einiger Zeit einen Burnout und hat sich lange und mit fremder Hilfe zurückgekämpft. In meinem Buch geht es auch um einen Burnout-Fall - eine Person, die dadurch Familie, Job und Wohnung verlor und auf der Straße landete. Ihre Rückfragen dazu waren im Wesentlichen: Warum wird das Thema Burnout hier reingebracht, ohne groß darauf einzugehen und ist es überhaupt möglich, auf der Straße zu landen?


Da das Buch nur ca. 130 Seiten hat (Taschenbuch-Format) ist die Abhandlung, wie es dazu kam und wie sich der Protagonist aus dem Burnout wieder rausgekämpft hat entsprechend kurz gehalten. Einerseits, weil es eine "leichte Lektüre" sein soll die Freude zu lesen macht und andererseits, weil es nicht Fokus der Geschichte sein sollte - der Fokus der Geschichte liegt darauf, wie wir als Gesellschaft das Problem der Obdachlosigkeit in den Griff bekommen könnten.


Warum ist "Burnout" ein Thema des Buches?

Verständlich, dass hier der Verdacht der Effekthascherei nahe liegt - Burnout bringt Aufmerksamkeit, also dient es als passender Anker im Buch, um Relevanz zu erzeugen. Auf die eigentliche Thematik und Situation "Burnout" wird aber gar nicht im Detail eingegangen. Das Thema Burnout, bzw. vielmehr dessen Vermeidung, ist wesentlicher Teil meiner Arbeit in der Unternehmensberatung. Der Grund, weshalb es im Buch als Einstieg verwendet wird ist, weil wir gesellschaftlich und unternehmerisch aus meiner Sicht noch zu einfach damit umgehen. Die Meinung vieler ist (plakativ ausgedrückt) "Wenn ich einen Burnout bekomme, gehe ich halt 2 Wochen in Kur und dann gehts schon wieder."


Nicht nur kann Burnout schwere gesundheitliche Folgen und Einschränkungen bis hin zur vollständigen Arbeitsunfähigkeit nach sich ziehen, es hat auch einen immensen Einfluss auf dein soziales Umfeld. Insbesondere die Familie wird hier mit reingezogen und belastet. Burnout entsteht, wenn mehrere Faktoren zusammentreffen. Offiziell ist es eine Überforderung (Stress und Überlastung) im Arbeitskontext, die einen körperlich ausser Betrieb setzt. Doch schon längst ist bekannt, dass es auch viele private Faktoren gibt, die mit reinspielen: Pflege von Angehörigen, (fehlendes) soziales Umfeld, finanzielle Sorgen, etc. Tritt nun ein Burnout über die unterschiedlichen Phasen auf, wird das vielleicht bereits belastetet oder geringe soziale Umfeld noch weiter belastet und könnte wegbrechen. Das Problem verschlimmert sich also und es wird noch anstrengender, dort wieder rauszukommen. 


Der Grund, weshalb wir den Weg des Protagonisten aus dem Burnout heraus nicht beschreiben: Auch hier gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, die aus meiner Sicht sinnvoller von tatsächlich betroffenen Menschen beschrieben wird. Denn von "Ich bin privat versichert und habe Geld, daher war Therapie und Auszeit nie ein Problem weshalb ich es in 6 Monaten raus geschafft habe" bis zu "Ich stand auf der Brücke und wollte dem ganzen ein Ende machen, habe dann aber XYZ..." gibt es eine große Bandbreite von Möglichkeiten. Vor allem, da dies auch Abhängig des Schweregrades und der Burnout-Phase ist. Auch hier gibt es also eine Vielzahl an Geschichten, die allesamt erzählenswert sind und ein ernst zu nehmendes Problem aufzeigen - aber aus meiner Sicht von denen erzählt werden sollten, die es auch tatsächlich selbst miterlebt haben.


Ist es in Deutschland überhaupt möglich, auf der Straße zu landen?

Eine weitere spannende Frage - auf die im Buch nicht eingegangen wird: Ist es in Deutschland mit unserem Sozialsystem überhaupt möglich, auf der Straße zu landen? Die traurige Antwort: Ja.

Es passiert glücklicherweise nicht allzu oft, aber es ist möglich, wenn unterschiedliche Faktoren zusammenkommen.

Diese unterschiedlichen Faktoren können beispielsweise eine Scheidung bei gleichzeitigem Job-Verlust sein, wenn du in einer finanzierten Immobilie wohnst und kaum Rücklagen hast.

Das Haus oder die Wohnung muss verkauft werden, weil man den Partner / die Partnerin nicht auszahlen kann, gleichzeitig ist die Suche nach einer neuen Bleibe aufgrund der Arbeitslosigkeit schwer. Kommt dann auch noch ein notwendiger Wohnortwechsel hinzu, durch den beispielsweise auch das zuständige Amt wechselt kann es zu einem Aussetzen der Zahlungen kommen. Das funktioniert glücklicherweise schon ganz gut, vor allem wenn es sich um das "gleiche Amt" nur in einer anderen Stadt / Landkreis handelt.


Schwieriger wird es aber, wenn das zuständige Amt nicht nur örtlich wechselt, sondern vor allem auch organisatorisch wechselt. Die betroffene Person also beispielsweise aus einer Schutz-Situation (z.B. Frauenhaus) wieder "reintegriert" wird. Dann ändert die Zuständigkeit und aufgrund der Auslastung unserer Ämter kann es auch hier zu einem Zahlungsverzug kommen. Du landest zwar in einer neuen Wohnung, bist dann aber direkt im ersten Monat mit der Mietzahlung hinterher.


Das schwierige daran: Familienmitglieder können nicht zwingend helfen, ohne Folgeprobleme auszulösen.

"Ich überweise dir einfach das Geld, bis sich das mit dem Amt geregelgt hat" kann dazu führen, dass aufgrund der "Einkünfte" letztlich die Auszahlung gestoppt oder gekürzt wird - es ist ja plötzlich Geld da. 


Jetzt wird vielleicht auch langsam ersichtlich, wieso ich auf die Entstehungsgeschichte der Obdachlosigkeit nicht eingegangen bin - es ist nicht nur zu verwirrend, sondern sorgt auch grundlegend für schlechte Laune. Oder? 

Andreas